Am vergangenen Freitag durfte ich mit Nadja Stoller in der Kirche Kandergrund unser Programm «Luubs Land» spielen, mit den vertonten Gedichten von Maria Lauber. Der Abend hatte ein besonderes Gewicht, weil es immer besonders ist, die Geschichten von Maria Lauber in ihrer (und meiner) Heimat zu spielen. Diesmal zusätzlich auch, weil es das letzte Konzert in dieser Konstellation war: Nadja legt bald eine Bühnenpause ein und je nachdem, was sie für ihre künstlerische Zukunft beschliesst, haben wir zum letzten Mal eine Bühne geteilt. Unsere Freundschaft teilen wir weiter, deshalb stand zum Glück kein eigentlicher Abschied im Raum. Aber mich begleitete doch ein geschärftes Bewusstsein, für das was wir da zusammen so viele Jahre entwickelt und gepflegt haben.
Unsere Maria Lauber-Programme durften in der ganzen Deutschschweiz herumreisen, seit wir 2008 die ersten Vertonungen gemacht haben, wir hatten Auftritte im Radio und bei Mundart-Festivals. Eine von Maria Lauber im Gedicht «Stila Wunsch» festgehaltene Hoffnung ging immer wieder in Erfüllung:
«Es iinigs Liedi wellt ig, dass’s blibi wenn ig gah, ud dass ses öpper sungi, win ig ses gsunge ha.» Für uns war das ein besonderes Glück.
Trotz dieses grossen Radius’ den wir mit den Texten ziehen durften, es blieb doch jederzeit klar, dass diese leise Mundart-Lyrik in einer Nische blüht. Wir haben oft für kleine Räume gespielt und auch die selten ausverkauft. Das war in Ordnung. Wenn ich das Radio anschalte oder die Veranstaltungsprogramme studiere, finde ich keinen Grund davon auszugehen, dass diese Art von Musik mit ihren leisen Themen zum Massenschlager werden könnte.
Gerade der Abend in Kandergrund hat mir einmal mehr gezeigt, wie viel mehr unsere Arbeit ist, als die Frage nach den Publikums- und Verkaufszahlen. Mit den Maria Lauber-Liedern durften wir oft in Situationen auftreten, die nicht den typischen «Ausgangs» und «Unterhaltungs»-Bedingungen entsprechen. Kirchen, Kirchgemeindehäuser, Vereinskeller, auch in Altersheimen. Und in den Bänken sassen bei diesem speziellen Programm oftmals nicht nur jene Menschen, für die Kulturbesuche zum Alltag gehören, sondern auch Publikum, das vermutlich bei keiner anderen Poesieveranstaltung dabei gewesen wäre. Wir durften spüren, was unsere Rolle als Kulturschaffende eigentlich wäre in der Gemeinschaft: Nicht «Stars», die sich für ihre Talente und Ideen bejubeln lassen. Sondern Erzählerinnen und Erzähler, die sich zur Verfügung stellen, unsere gemeinsamen Geschichten zu erzählen: Die Geschichten vom Menschsein in dieser Welt. Keine Geschichten der grossen Erfolge, der seltenen Ereignisse, keine Romanzen oder Thriller. Stattdessen Geschichten aus dem selten besungenen Alltag, Erinnerungen, Empfindungen, Zweifel, Hoffnungen, Stimmungsschwankungen, Familie und Beziehungen. Maria Lauber hatte das Geschenk, viele dieser «kleinen» Regungen, die im Innern eben doch gross sind, in Worte zu fassen. Und wenn man dann gemeinsam in der Kirche Kandergrund sitzt, spürt man, dass es ihre Worte sind, aber unser aller Gefühle. Dass Maria Lauber in Bildern aus dem Frutigtal spricht, aber damit eine Heimat meint, die wir alle teilen, wo auch immer sie für uns ist.
Es war ein Geschenk, die Geschenke Maria Lauber über all die Jahre weiterschenken zu dürfen. Ich habe nicht genug davon. Das Kapitel, in dem ich es mit Nadja Stoller zusammen tun konnte, ist nun zwar zu Ende. Aber ich weiss bereits, dass die Heimat, die äussere und die innere, weiterhin Themen für mich bleiben werden. Auch mein Heimweh nach dem Frutigtal, als nahe aber doch auswärts Wohnender, werde ich weiterhin irgendwie stillen wollen, wenn ich nicht gerade auf Besuch kommen kann. Und Maria Lauber wird mich da weiterhin an der Hand nehmen, mir die Augen und Herz öffnen und mir Blicke zurück in eine Zeit ermöglichen, als die Welt und unser Dialekt zwar noch sehr anders waren, aber menschliche Empfindungen schon die Ewiggleichen.
Vielleicht teilen wir uns ja auch mal wieder so einen Abend? Ich würde mich freuen. Es ist fast schon ein stiller Wunsch.