Ich habe schon etwas gestaunt, als ich per Kartengruss vom Verlag und der Redaktion des Frutigländers zum Neujahr erfahren habe, dass ich nun bereits seit 10 Jahren Kolumnen schreibe an dieser Stelle. Mich dünkt eigentlich, ich habe erst gerade angefangen. Aber ja, auch in den Kolumnen ist nachlesbar, wie Vieles seit 2014 passiert ist. Zwei Kinder. Umzüge von der Stadt in die Bolliger Agglo und später in die Schönbühler Agglo. Sorgen vor und nach nationalen und internationalen Abstimmungen. Eine Virus-Krise, die die Gesellschaft umgestaltet hat.
WeiterlesenHeute bin ich aufgewacht in einem warmen, weichen Bett. Zwei gesunde Kinder haben Hunger, und ich kann ihnen Frühstück anbieten: Im Brotkorb, im Müesliglas, in der Fruchtschale, im Kühlschrank, überall hat es was. Auch Geschirr haben wir. Ein Gewehr brauchen wir nicht. Wir sind immer noch barfuss, die Bodenheizung läuft. Der Nachbar schickt uns Wärme rüber. Sein Haus steht noch, ich weiss es, ohne nachzuschauen. Manchmal müssen wir uns dann plötzlich beeilen, der Kindergarten beginnt bald. Ja, es gibt einen Kindergarten hier. In der Morgeneile finden wir Kleider, warm genug für einen Waldmorgen im Dezember. Wir haben ein Badezimmer, dort kann man die Zähne putzen, bevor man aus dem Haus geht. Wir haben auch Frottétücher, ein WC mit Spülung und Kanalisationsanschluss, WC-Papier. Ich bringe mit dem Veloanhänger zuerst die Grosse zum Kindergarten. Die Lehrerin, die dort wartet, hat eine Ausbildung und Lohn, sie trägt die Haare offen, sie darf das.
WeiterlesenAuge um Auge, Zahn um Zahn. Wir hören das als Konzept von Selbstjustiz und Rache. In einem Bibel-Podcast («Unter Pfarrerstöchtern» von Die Zeit) habe ich erfahren, dass dieses archaische Gebot eigentlich ein Aufruf zur Mässigung war: Für ein im Kampf verlorenes Auge soll der Täter nicht mit seinem Leben büssen müssen. Für die Zeit in der diese Regel galt (oder je nach Glaube, von Gott eingeführt wurde) war sie also immerhin ein Fortschritt, im Bewusstsein, dass Gewalt Gegengewalt erzeugt, auch wenn sie sich als Rache rechtfertigt. In der dunklen Logik der Gewalt endet die Spirale der gegenseitigen Rachefeldzüge nur, wenn der Feind mit all den Seinen ausgerottet wird.
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