Heute bin ich aufgewacht in einem warmen, weichen Bett. Zwei gesunde Kinder haben Hunger, und ich kann ihnen Frühstück anbieten: Im Brotkorb, im Müesliglas, in der Fruchtschale, im Kühlschrank, überall hat es was. Auch Geschirr haben wir. Ein Gewehr brauchen wir nicht. Wir sind immer noch barfuss, die Bodenheizung läuft. Der Nachbar schickt uns Wärme rüber. Sein Haus steht noch, ich weiss es, ohne nachzuschauen. Manchmal müssen wir uns dann plötzlich beeilen, der Kindergarten beginnt bald. Ja, es gibt einen Kindergarten hier. In der Morgeneile finden wir Kleider, warm genug für einen Waldmorgen im Dezember. Wir haben ein Badezimmer, dort kann man die Zähne putzen, bevor man aus dem Haus geht. Wir haben auch Frottétücher, ein WC mit Spülung und Kanalisationsanschluss, WC-Papier. Ich bringe mit dem Veloanhänger zuerst die Grosse zum Kindergarten. Die Lehrerin, die dort wartet, hat eine Ausbildung und Lohn, sie trägt die Haare offen, sie darf das.
WeiterlesenSeite 5 von 49
Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wir hören das als Konzept von Selbstjustiz und Rache. In einem Bibel-Podcast («Unter Pfarrerstöchtern» von Die Zeit) habe ich erfahren, dass dieses archaische Gebot eigentlich ein Aufruf zur Mässigung war: Für ein im Kampf verlorenes Auge soll der Täter nicht mit seinem Leben büssen müssen. Für die Zeit in der diese Regel galt (oder je nach Glaube, von Gott eingeführt wurde) war sie also immerhin ein Fortschritt, im Bewusstsein, dass Gewalt Gegengewalt erzeugt, auch wenn sie sich als Rache rechtfertigt. In der dunklen Logik der Gewalt endet die Spirale der gegenseitigen Rachefeldzüge nur, wenn der Feind mit all den Seinen ausgerottet wird.
WeiterlesenIch weiss, die Sommerferien-Lesetipps sind eigentlich passé. Aber ich habe Ihnen trotzdem zwei Tipps. Mit einer Warnung: Die Schlusskapitel dieser Bücher haben mich so furchtbar aufgeregt, dass ich sie am liebsten rausgerissen hätte – zunächst. Später habe ich dann bemerkt, dass ausgerechnet diese zwei Bücher ganz tiefe Spuren hinterlassen haben.
Weiterlesen