Frohes neues Jahr auch von mir!
Ich darf wieder ein Jahr für Sie schreiben, und freue mich sehr – auch wenn sie nicht immer rasch kommen, diese Kolumnen. Gestern zum Beispiel habe ich für diese hier einen halben Abend verschwendet. Ich wollte erzählen, wie wir uns oft in Vergleichen verlieren, anstatt zu benennen, was wir tatsächlich sehen. Wie das Gespräch dann umschwenkt auf jene Aspekte, in denen der Vergleich eben schlecht ist, und der eigentliche Punkt gerät in den Hintergrund.
Als aktuelles Beispiel wollte ich den problematischen Vergleich zwischen Trump und Hitler nennen. Man muss Trump ja nicht mit Hitler vergleichen, um gegen seine menschenverachtende Politik zu sein. Gewisse Parallelen sind zwar offensichtlich, der krankhafte Narzissmus etwa, oder nur die eigene Bevölkerungsgruppe zu achten und andere als Ungeziefer zu bezeichnen. Aber ich wollte auch klare Unterschiede erwähnen: Dass Trump ein von Geburt an steinreiches Papasöhnchen ist, während Hitler als Möchtegern-Künstler von der Waisenrente seiner Eltern lebte. Bei der Recherche dazu bin ich dann abgedriftet: Wie arm war Hitler wirklich? Und machte das Hitler nicht sympathischer, wenn er sich immerhin hochgekämpft hat, während Trump… Nein, das war nicht der Plan, dass plötzlich Hitler etwas besser aussieht neben Trump. Reingefallen. Einmal mehr reingefallen, in die Falle der Vergleiche, notabene beim Versuch genau diese Falle zu zeigen. Eine Stunde war vergangen…
Ich machte mich an eine zweite Recherche: Ist die AfD die neue NSdAP? Bestimmt würde ich rasch genügend Zitate finden, um zu belegen, dass der Vergleich mit den Nazis nicht nötig ist, um den Abgrund der AfD zu zeigen. Die Zitate findet man zwar. „Das sollten wir in Deutschland auch machen“, sagt z.B. der ex-Landstagsabgeordnete Gehlmann zu Gefängnis für Homosexuelle. (Hat wohl übersehen, dass dann die Kanzlerkandidatin der AfD auch fehlen würde…). Aber als ich das offizielle Wahlprogramm gelesen habe, war vor allem erschreckend, wie nüchtern und sachlich Vorschläge daherkommen, künftig praktisch keine Flüchtlinge mehr aufnehmen soll. Und die Vertrautheit von all dem, wenn man in der Schweiz seit Jahren der SVP zuhört. Das „Ungeziefer“ aus Hitlers Wortschatz findet man hier zwar nicht. Aber die Geringachtung für Menschen anderer Herkunft (und ihre Rechte als Menschen) steckt in jeder Zeile. Und das wird nicht besser, wenn die Nazis es noch radikaler propagiert haben. Es würde auch nicht besser, wenn es zum ersten Mal in der Geschichte vorkäme.
Es war wieder eine Stunde um, und statt ein paar knackigen Beispielen, hatte ich Material gefunden, mit dem man sich über mehrere Seiten vertieft befassen müsste, um es wirklich auszuleuchten.
Dafür habe ich nebenbei noch in einer weiteren halben Stunde etwas gefunden, das ich gerne teile, für alle, die in der AfD-Verteidigung gern das Allerweltsargument der kriminellen Ausländer zelebrieren. Eine Broschüre der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften legt sachlich dar, wie es zu den Statistiken der Ausländerkriminalität kommt, Stichjahr 2023. Es lohnt sich, das Ganze zu lesen (Suchbegriffe: ZHAW Anstieg Kriminalität). Nur ein Beispiel: Selbst ohne Bereinigung der verzerrten statistischen Umstände, sind 98,8% der ständig hier wohnhaften, ausländischen Bevölkerung nie durch illegales Verhalten auffällig geworden. Bei der Asylbevölkerung sind es 95,6 %. Die Pauschalbehauptung über „kriminelle Ausländer“, um sich aus der humanitären Verantwortung der Wohlstehenden zu stehlen, ist also so haltlos wie kaum ein schlechter Vergleich es sein könnte.
Aber jetzt bin ich schon wieder abgeschweift, und der Abgabetermin für die Kolumne naht… Sie sehen, in einer Kolumne auf den Punkt zu kommen, wenn man sich mit komplexen Themen befassen will, hat seine Tücken.
Ich würde Ihnen also nicht widersprechen, wenn Sie diesen Text als gescheitert bezeichnen wollen. Aber um doch noch den Bogen zu finden: Mein Versagen als Autor ändert nichts an der Widerlichkeit der Trumpschen Machtmenschen-Huldigung. Es ändert nichts an der Kaltherzigkeit und dem Egoismus des AfD-Parteiprogramms und seiner Fans in unserem Land. Und auch nichts an unserer ganz persönlichen Aufgabe, selbst mit warmem Herzen und kritischem Geist in dieses wichtige und herausfordernde Kapitel 2025 zu starten. Mit den sich anbahnenden neuen Machtverhältnissen, die den Schutz vieler Minderheiten in Frage stellen, könnten wir plötzlich viele egoistische Dinge wieder tun und sagen. Jetzt sollten wir es erst recht nicht tun.