„de läbe si no hüt“_Pressetext zu „Fürne Königin“
So endet das Märchen, und dort beginnt das neue Album des Berner Songwriters Trummer. „Fürne Königin“ heisst das Werk, es ist die bisher ambitionierteste Platte des gebürtigen Frutigers und legt sowohl kommerziell wie künstlerisch einen Gang zu. Einerseits zielt sie auf grössere Bühnen, in dem sie der Band rockiges Material liefert, das sich nicht nur in introspektiven Momenten zugänglich macht. Andererseits zielt sie wie ihre Vorgänger auch auf ein inhaltlich anspruchsvolles Publikum, das bereit ist, Songs mehrmals zu hören und zwischen die Zeilen zu lesen.
Die Entstehung – der Songwriter macht eine Bandplatte
Ganz am Anfang stand die Idee, eine Platte über Lebenslust zu machen, was dazu geführt hat, dass „Fürne Königin“ musikalisch wie textlich Trummers lebendigstes Berndeutsch-Album geworden ist. Und in seiner Vielseitigkeit erweitert es den bisher vor allem folkigen trummerschen Klangkosmos gar noch: Überraschen dürften der Disco-Rock-Stampfer „Neon Liecht Meitschi“ oder die Südstaaten-Grooves in „Gschyd wär anders“ (ein Wiedersehen mit der bereits aus „Chunnt scho guet“ vom letzten Album bekannten Figur Jenä). Aber auch die finstere Opulenz des Schlusssongs „Hol mi zrügg“ hat man von ihm bisher noch nie gehört. „Ich hatte einfach Lust, etwas mehr Musik zu machen als auch schon“, sagt der Sänger und Gitarrist dazu. So wurden viele Arrangements diesmal nicht um einen Akustikgitarrenpart gebaut, sondern nach Rockband-Art auf Drum und Bass. Die Rhythmusgruppe mit Rob Aeberhard am Bass und Muso Stamm am Schlagzeug hat sich so mehr denn je einbringen können. Das Fundament der Songs wurde gemeinsam live im Sounddevelopment Studio in Zürich eingespielt, mit dem dem allseits geliebten Hendrix Ackle an den Tasten, wie bereits bei den englischen Alben, und auch Adrian Weyermann ist nach „Night Light“ ein weiteres Mal als Gitarrist mit dabei.
Die Musikfamilie im Studio
Trummers grösstes Album ist „Fürne Königin“ aber nicht nur vom Sound her, sondern auch im Aufwand. Nach den Bandsessions empfing er noch eine Schar illustrer Gäste, etwa ein Streichquartett, das Arrangements des früheren Patent Ochsner-Tausendsassas Pascal Steiner spielte. Eine grosse Rolle kommt auch den Sängerinnen zu: Shirley Grimes ist mit dabei, Valeska Steiner und Nadja Stoller singen neben Chören auch je ein Duett. „Die Aufnahmen waren eine wunderbare Zeit, was nicht immer selbstverständlich ist bei so einem Grossprojekt“, sagt Trummer dazu. „Das Personal auf dieser Platte sind fast ausschliesslich Leute, die ich seit Jahren kenne und liebe, sie sind für mich meine Familie in der Schweizer Musikszene, wir haben in den letzten Jahren viel gemeinsam gespielt und wir teilen alle weit mehr als nur die Bühnen und Mikros.“
Musikalische Vielseitigkeit
Trummer steckt die Grenzen seines musikalischen Königreichs neu ab und stellt die gern gezogene Schublade FolkRock in Frage, ohne sich deshalb zu verbiegen oder bei aktuellen Strömungen anzubiedern. So schliesst die neue Platte nicht nur personell, sondern auch stilistisch die Stationen seiner bisherigen Karriere nochmal mit ein: Den Americana-Pop des Debuts „Night Light“(2004), die scheuklappenlose Eklektik des Indie-Zweitlings „anyways“(2005), und schliesslich kommen auch die folkige Intimität des Mundart-Erstlings „Im Schatte vo däm Bärg“(2007) und die dunkle Melancholie des erfolgreichsten Vorgängers, „Dr ganz Wäg zrügg“(2009) nicht zu kurz. Rockigen Nummern wie „Paralleluniversum“ oder „Bevor dr Herbscht chunnt“ stehen zum Beispiel das in karger Verlorenheit verhallende „Vergiss mi nid“ oder das auf ruhigen Harmoniumakkorden schwebende „Gar nid so schwär“ gegenüber.
Ein berndeutsches Konzeptalbum?
Was also kommt nach dem „..wenn sie nicht gestorben sind…“? Dann lebt man eben weiter, lustvoll und erwartungsvoll, und deshalb auch immer wieder gezwungen, Zwischenbilanz zu ziehen, sich der Vergangenheit zu stellen, sich den Ängsten und Hoffnungen zu stellen, sich mit genutzten und verpassten Möglichkeiten auseinander zu setzen. Dort stehen die Königinnen in Trummers neuen Songs: Prinzessin spielen ist nicht mehr drin. „Was wosch di i däm dunkle Turm verstecke, mittz i dim grosse Riich? Du wirsch nid mänge Retter finde, wo när ma König sy“, heisst es im Titelsong. Das Cover des Albums wird von gleich mehreren Frauenportraits geziert, und die Gestaltung erinnert an ein Buch, die Songs sind in vier Kapitel gegliedert. Ein berndeutsches Konzeptalbum? In gewisser Weise war das auch die letzte Platte „Dr ganz Wäg zrügg“ schon, welche Fragen zum Hier-Sein und Fort-Sein und dem Weg dazwischen verhandelte. Trummer setzt auf die Idee eines Albums, das auch inhaltlich zusammengehört, so anachronistisch das auch sein mag in Zeiten des Downloads. Seine künstlerischen Helden, die nach wie vor vor allem unter den gestandenen Amerikanischen SongwriterInnen zu finden sind, kümmern sich darum ja auch nicht.
Vier Kapitel und das Ungesagte
Zum Kapitel „Fürne Königin“, dem dritten der Platte, gehören auch das „Neon Liecht Meitschi“, das sich hinter einer schon etwas verschmierten MakeUp-Maske nicht mehr recht verstecken kann, das nicht mehr ganz junge Paar in „Ds Läbe an sich“, das trotz Liebe und Stabilität manchmal den Blues trifft. Und die junge Frau, die in der dylanesk vorwärts federnden „Ballade vom Meitschi ufem Meer“ zwar aus der Seenot gerettet wird, damit aber noch nicht das Ende ihrer Odysee erreicht hat.
Im ersten Kapitel „Paralleluniversum“, in dem es eben immer auch hätte anders kommen können, gibt’s unter anderem das Wiedersehen mit Jenä aus „Chunnt scho guet“ und „Jack Johnson“ von den letzten Alben. Im zweiten Kapitel „Mittwuchnamittag“ wird in drei Songs Familienleben bilanziert, und zum Schluss treiben sich im Kapitel „Samschtignacht“ lebenslustige junge Menschen durch die Stadt auf der Suche nach einem Glück, zu dem sie manchmal fast schon der Mut verlässt.
„Das Aussparen ist Trummers grosse Stärke“, hiess es in der Presse einmal zu diesem Texter, und seinem Grundsatz, das Publikum nicht für dumm zu verkaufen bleibt er auch in diesen Liedern treu. Mehr denn je hat er sich für das neue Album gewagt, eine Perspektive einzunehmen und unkommentiert einfach auszuleuchten. „Man darf diesen Songs gern auch widersprechen“, sagt Trummer, „das würde ich sogar toll finden. Ich habe keine Botschaft zu verkünden, keinen Anspruch auf Richtigkeit. Mich interessiert einzig die Frage, wie sich das Leben anfühlt, wie es aussieht, wenn man mal Zwischenbilanz zieht. Und dass man dabei einseitig bleibt und erst später merkt, dass es noch andere Perspektiven geben könnte, das ist ja gerade was die immer momentane Natur des Lebens ausmacht.“
„Fürne Königin“ versammelt Personal in ganz verschiedenen Lebensabschnitten, sie schweben weder auf Wolke Sieben noch gehen sie durchs Tal der Tränen, gemeinsam ist ihnen, dass sie gerade mittendrin stehen, sie atmen mal kurz durch und blicken um sich. „Ich musste mir halt eingestehen, dass ich mir zwar lebenslustige und -hungrige Menschen zum Thema machen kann, dass mich dann aber doch diese Momente des Innehaltens am meisten interessieren.“
Und das dürfte die treffende Beschreibung sein, wofür sich diesen Album eignet: „Fürne Königin“ ist die Platte geworden, die man für eine lebensfrohe, sommerliche Autofahrt einlegt, danach aber gleich mitnimmt zum ruhigen Tête-à-tête, bei dem auch mal existentielle Fragen diskutiert werden dürfen.
Biografie lang „Fürne Königin“
Pressefoto 1 (Band) Bild: Claudia Komminoth/zvg (ckfoto.ch)
Pressefoto 2 (Band) Bild: Claudia Komminoth/zvg (ckfoto.ch)
Pressefoto 3 (Band) Bild: Claudia Komminoth/zvg (ckfoto.ch)
Pressefoto 4 (Porträt) Bild: Claudia Komminoth/zvg (ckfoto.ch)
Pressefoto 5 (Porträt) Bild: Claudia Komminoth/zvg (ckfoto.ch)
Pressefoto 6 (Porträt sw) Bild: Claudia Komminoth/zvg (ckfoto.ch)