Ich habe schon etwas gestaunt, als ich per Kartengruss vom Verlag und der Redaktion des Frutigländers zum Neujahr erfahren habe, dass ich nun bereits seit 10 Jahren Kolumnen schreibe an dieser Stelle. Mich dünkt eigentlich, ich habe erst gerade angefangen. Aber ja, auch in den Kolumnen ist nachlesbar, wie Vieles seit 2014 passiert ist. Zwei Kinder. Umzüge von der Stadt in die Bolliger Agglo und später in die Schönbühler Agglo. Sorgen vor und nach nationalen und internationalen  Abstimmungen. Eine Virus-Krise, die die Gesellschaft umgestaltet hat.

Ich habe in den letzten Tagen ein bisschen durch meine frühen Kolumnen geblättert und einmal mehr  festgestellt, wie viel Gutes ich diesem Engagement verdanke. Vermutlich hätte sich mein Nachdenken über Vieles in den vergangenen zehn Jahren anders gestaltet, wenn ich für die Zeitung der Reitschule schreiben würde. Ich hatte zwar nie eine starke Neigung dazu, einfach die Glaubenssätze meines persönlichen politischen Umfeldes nachzubeten. Aber es hat mir gut getan, bei vielen Themen immer mitzudenken, wie ich meine Haltung dazu in einer Frutigländer-Kolumne erklären würde. Es ist ja einfach, in einem Kreis von Zustimmenden mit ein paar träfen Ausrufen zu punkten. Die Leute freuen sich zu hören, was sie sowieso schon glauben. Das kann man ziemlich weit treiben. Und solange man es nur in der eigenen Bubble tut, wird kaum jemand aufstehen und kritisch nachfragen. Wenn der Schwarze Block in Bern das kapitalistische-patriarchale Regime nieder reissen will, fragt im Demozug zunächst mal niemand, wie man ein Wirtschaftssystem in nur einem Land auswechseln wolle und wer konkret Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen würde in der Übergangsphase. Wenn die die SVP einen Grossteil der Probleme bei der Migration und der kulturellen Vermischung ausmacht, hebt auch niemand im inneren Zirkel die Hand und fragt, welche Schweizerinnen und Schweizer bereit sein würden, in immenser Zahl die oft schlecht bezahlten Jobs zu übernehmen, die schlagartig frei würden. Zustimmung im eigenen Zuhause ist billig zu haben.

Nun kann man sagen (und ab und zu wird mir das auch gesagt), dass man besser die eigene Position stärke, als die Zeit damit zu verschwenden, auf Kreise zuzugehen, die einem sowieso nur widersprechen. Das hat sich wohl auch der Frutiger Jungpolitiker Nils Fiechter gedacht, als er zum Start im Grossrat mit Dubler M-Köpfen (ich nenne sie jetzt „Stimmungsschokobomben“) die neuen Kolleginnen und Kollegen begrüsste. Als Angebot für konstruktive Zusammenarbeit wurde das wohl kaum verstanden, die Lacher in den eigenen Reihen waren aber garantiert. Nils Fiechter darf das natürlich, er ist mit dieser Strategie ja in breiter Gesellschaft in allen politischen Lagern. Beim Nachlesen ist mir aufgefallen, dass ich diese Art Provokationen in meinen frühen Kolumnen auch noch öfter gemacht habe.

Aber seither ist viel passiert. Die Wählbarkeit einer so offensichtlich gestörten Person wie Donald Trump. Die immense Polarisierung in der Corona-Zeit, die gerade in der Medienlandschaft extrem viel (nötiges) Vertrauen zerstörte. Der enorme Druck, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden, zuerst im Ukraine-Krieg und nun auch wieder im neuen Nahost-Krieg.

Wir wissen voneinander, dass wir einander oftmals nicht auf Anhieb zustimmen würden. Aufeinander zugehen, nahe bleiben, das Gespräch aufrecht halten: Nichts erscheint mir wichtiger in dieser Zeit für uns als Gemeinschaft. Und der Ton dabei eben auch: Andersdenkende werden eher einen schlüssigen Gedanken in Betracht ziehen, als den Vorwurf, sie denken falsch und seien dumm.

Und deshalb ein grosses Danke nochmals für das Vertrauen des Frutigländers. Und für Ihre Treue zum Frutigländer. Unser Gespräch bleibt möglich, und auch das Gespräch, das ich mit mir selber ständig führe, bleibt spannender und voller Widersprüche. Sich selbst zu widersprechen ist nämlich grossartig, solange man es als Austausch von Argumenten tut und nicht innerhalb von einer Aussage.