Liebe Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz

Seit Beginn der Pandemie haben wir als Regierung dieses Landes unendliche Stunden damit verbracht, in einer nie dagewesenen Situation den bestmöglichen Weg zu suchen. Nun will ich für einmal die magistrale Maske ablegen und persönlich zu Ihnen sprechen.

Wir wissen, dass viele von Ihnen leiden. Sie leiden nicht bloss an den Veränderungen durch die Pandemie. Sie leiden auch darunter, dass unsere bundesrätlichen Beschlüsse nur Annäherungen an diesen hoffentlich bestmöglichen Weg sind. Wir leiden darunter auch.

Wir wissen, dass unsere Massnahmen nicht ganz und gar Sinn machen, sondern meist nur als Ergebnis einer Abwägung von Prioritäten. Wir wissen, dass unsere Beschlüsse auch etwas Willkürliches haben, Lücken in der Logik, Kompromisse. Wir wissen, dass wir es nicht ganz und gar richtig machen können und wir wissen auch, dass wir Einiges falsch gemacht haben. Wir hätten uns stärker dafür einsetzen müssen, dass die Impfungen nicht auf Kosten des Gemeinwesens zu riesigen Gewinnen für private Pharmakonzerne führen. Das hätte Vertrauen geschafft, und wir haben es verpasst. Wir wissen, dass wir Sie nicht hätten von Ihren sterbenskranken Familienmitgliedern fernhalten sollen. Wir wissen, dass wir Ihnen – ohne damit die Gefährlichkeit des Virus kleinzumachen – neben den Vorsichtsmassnahmen auch hätten Möglichkeiten aufzeigen können, wie Sie positiv ihre Gesundheit stärken. Wir wissen, dass wir uns von Anfang an mehr Zeit hätten nehmen sollen, um auf die Ängste und das Misstrauen einzugehen, welche durch teils absurde, teils aber auch bedenkenswerte Perspektiven und Theorien entstanden sind. Wir haben zugelassen, dass alle von Ihnen, die von Natur aus kritisch nachfragen, in einen Topf geworfen wurden und als Idioten verschrien. Das tut uns leid. Wir hätten uns vehement für einen weniger giftigen Umgangston in den Medien und der Gesellschaft einsetzen müssen. Wir wollen Ihren Sorgen in Zukunft respektvoll mit inhaltlichen Antworten begegnen.

Und wir wollen nun auch sagen: Es tut uns leid, dass die aktuellen Zertifikatsregeln Ihren Alltag dermassen einschränken, wenn Sie nicht geimpft sind oder schon zu lange genesen. Leider sehen wir gegenwärtig keine bessere Möglichkeit. Wir müssen den Geimpften Freiheiten zurückgeben, auch wenn die Impfung keine absolute Sicherheit bedeutet. Jenen von Ihnen, die aus unbegründeten Ängsten auf eine Impfung verzichten, möchten wir ohne Urteil transparente Informationen zur Verfügung stellen. Und wir wissen, dass es auch rationale Gründe gegen die Impfung gibt. Wir anerkennen, dass nicht alle Menschen das gleiche Vertrauen in die Forschungsergebnisse der Pharmakologie haben, dass andere Wege im Umgang mit der persönlichen Gesundheit vorgezogen werden. Wir halten Sie nicht für Feinde der Gesellschaft, sondern nehmen uns vor, vermehrt den Austausch mit Ihren Perspektiven zu suchen. Wir versprechen Ihnen, dass wir die Zertifikatspflicht so kurz wie möglich halten wollen, und wir versprechen Ihnen, dass wir danach keine permanenten Gesundheitsüberwachungen in die Gesetze schreiben werden.

Es hat sich in unserem Land ein Graben vertieft, der kein Graben sein müsste, sondern unsere Chance auf einen gewinnbringenden Austausch in der Zukunft sein könnte. Die Frage, welche medizinischen Wege man für sich persönlich wählt, soll und muss uns nicht trennen. Die Stimmung ist aufgeheizt, wir anerkennen, dass unsere teils einseitige Kommunikation einen Anteil daran hat. Wir können das allein nicht rückgängig machen. Deshalb bleibt uns nur, Sie alle nun um Hilfe zu bitten. Wir bitten Sie um Offenheit, Geduld und Grossmut im Umgang miteinander. Wir bitten Sie, beieinander nachzufragen bevor Sie einordnen, zuzuhören bevor Sie urteilen. Wir bitten Sie, in der Liebe zu bleiben, einander nahe zu bleiben, Spannungen und Meinungsverschiedenheiten auszuhalten und den Blick immer wieder auf das zu richten, was uns verbindet und unsere Freundschaften begründet.
Denn es gibt ein Leben nach der Pandemie. Wir wollen es gemeinsam verbringen.
Bitte helfen Sie uns.

Hochachtungsvoll, im Namen des Gesamtbundesrates, Alain Amherd