Vor 5 Jahren trauerte die Musikwelt um David Bowie, Prince und George Michael, mich hat damals besonders der Tod von Guy Clark im Mai 2016 persönlich berührt. Mit seinem grossartigen Album «Old Friends» spielte er 1989 in Frutigen beim Singer-Songwriterfestival, und gottseidank hat mein Vater damals die CD gekauft und Guy Clark damit in mein Leben gebracht. Sein letztes Album, «My Favourite Picture Of You» von 2014, könnte man Clarks Bestes nennen, muss man aber nicht, weil es ein Wettbewerb unter zu vielen Gleichwertigen wäre. Guy Clark wurde nicht belanglos mit dem Alter, sondern zunehmend konsequenter darin seine schlichte, aber clever komponierte Folkmusik mit einfühlsamen und sprachlich extrem treffenden Texten zu machen.

«Ain’t no money in poetry, that’s what’s sets the poet free.” So war das auch: Ein Star wurde Guy Clark nie. Aber Generationen von Singer-Songwriter*innen haben bei ihm und seiner Frau Susanna am Küchentisch ihre Songs getestet, ihre Stimmen gefunden und viele von ihnen haben auch Clarks Songs aufgenommen und sie berühmter gemacht als ihren Urheber. Steve Earle, Rodney Crowell, Steve Young, Emmylou Harris, Lyle Lovett, Rosanne Cash, die Liste ist lang. Nach und nach haben sich die aussergewöhnliche Sorgfalt und die Kompromisslosigkeit seiner Lyrik herumgesprochen, am Ende seines Lebens hatte er dann doch fast alle Ehrungen mal bekommen, die in seiner Ecke des Musikbusiness vergeben werden.

Die Männer in Guy Clarks Songs sind keine bewundernswerten Helden. Wenn er sie bewundert, dann für ihre Menschlichkeit. Die Frauen erfüllen keine Träume und müssen nicht gerettet werden. «She ain’t going nowhere, she’s just leaving.»
Zumindest von Guy Clarks Songs werden diese Frauen und Männer geliebt, auch wenn sie komplex und kompliziert sind. Oder gerade deswegen, wie es auch die Liebeslieder an seien Frau Susanna belegen:

«My favorite picture of you is bent and faded and it’s pinned to my wall
Oh and you were so angry, it’s hard to believe we were lovers at all
There’s a fire in your eyes, you’ve got your heart on your sleeve
A curse on your lips but all I can see
Is beautiful » My Favourite Picture Of You

Oder :

«There’s a woman I love she’s crazy and she paints like god
She’s got a playground sense of justice, she won’t take odds
I’ve got a tattoo with her name right through my soul
I think everything she touches turns to gold» Stuff That works

Man erzählt sich, dass Clark ein eher knorriger Mann war, eine ketterauchender Kiffer und Trinker zwar, aber ein Texas Gentleman (was natürlich explizite Sprache nicht zwingend ausschliesst). Er soll seine «weiche Seite» (und eine etwas weiche Ausdrucksweise zu verwenden) nicht gerade zelebriert haben im alltäglichen Umgang. Zu den Schmerzen nach einer Chemotherapie sagte er: «I’ve had hangovers worse that this.» In seinen Songs gab er mehr preis.

«My father died when I was forty and I couldn’t find a way to cry
Not because I didn’t love him, not because he didn’t try
I’d cried for every lesser thing, Whiskey, pain and beauty
But he deserved a better tear, and I was not quite ready »The Randall Knife

Ich hätte Guy Clark noch lange zugehört. Zum Glück kann man sein umfangreiches Werk rückwärts entdecken (und digital reicht nicht, einiges ist nicht zu finden da, Discogs muss ran…) . Und dabei gibt es immer wieder ein paar Sätze mitzunehmen, die auch im wirklichen Leben was taugen. «He said my back is bendin‘ low but my spirit’s flyin‘ free. This ol‘ bag of bones ain’t really me”, liess Guy Clark einen alten Mann sagen. Wer ist schon «wirklich» der sichtbare Sack Knochen, egal wie lottrig oder frisch man daherkommt? Noted, Guy, thanks.
«I’m through being lonesome, I’m through being sad, I’m all through throwing good love after bad.” Vielleicht die wichtigste Lektion?

«You’ve got to sing like you don’t need the money, dance like nobody’s watching, it’s gotta come from the heart if you want it to work.” Der Text ist von Susanna Clark und nicht nur von Guy gecovert worden. Tat gut, das zu hören als junger Musiker.

Blicke in den Spiegel, wie sie gute Songs eben sein können, die einem zuerst ein bisschen weh tun, dann aber ziemlich gut.

Ich hätte Guy Clark noch lange zugehört beim älter werden. Es gibt nun immerhin ein wunderbares Buch (und bald hoffentlich auch bei uns einen Film)  über ihn und Susanna: «Without getting killed or caught» von Tamara Saviano. Man kann jeder Künstlerin und jedem Künstler (und ihren Fans) wünschen, dass ihnen jemand eine solche Biografie schreibt.

Ich schicke Guy Clark einen Toast und ein grosses Dankeschön. Auf ihn und all die anderen Poet*innen, mit deren Bildern für uns das Leben und seine doppelten Böden plötzlich fassbar werden.

Eine Playlist mit meinen liebsten (digital findbaren) Guy Clark Songs ist hier: