Heute ist Frauenstreiktag. In ganz jungen Jahren hätte ich vielleicht noch den Kopf geschüttelt, man hat ja nichts gegen Frauen, das Frauenstimmrecht gibt es längst und man hat doch unterdessen und Feminismus kommt immer etwas hysterisch daher und so weiter. Aber man darf ja auch gescheiter werden. Ich bin dankbar für diesen Streiktag, weil er -unter anderem- systemische Probleme benennt, die den Frauen durch ihre gesellschaftliche Rolle schon länger schmerzhaft bewusst sind, die aber teilweise auch mich als Mann betreffen. Es gibt die Lücken im Sozialversicherungsrecht: Menschen mit langen Berufspausen, Teilzeitarbeit oder selbständige Einzelunternehmer sind unnötigen Risiken ausgesetzt. Auch ich habe keine grosse Rente in Aussicht, da ich nie 100% mit solidem Lohn gearbeitet habe. Soweit habe ich mich dazu selbst entschieden, ich beklage mich nicht.
Aber nun hat sich die Ausgangslage geändert: Seit bald zwei Jahren bin ich Vater. Meine Partnerin ist auch freischaffende Musikerin. Wir haben nicht extra Arbeit gesucht, um uns die Kita leisten zu können. Wir teilen die Zeit mit unserer Tochter auf und holen uns Unterstützung aus unserer Gross-WG und der Familie, wenn sich unsere Projekte überschneiden. Ich bin also bis zu 50% Kinderbetreuer, und das gern, noch habe ich keinen Entwicklungsschritt verpasst. Meine kreative Arbeit mache ich nun meist abends wenn die Kleine schläft, neben der Familie müssen auch eine 40 % Anstellung, Konzerte und Proben in den Zeitplan passen. Auch darüber beklage ich mich nicht, auch dafür habe ich mich entschieden.
Aber wenn das Pensionsalter kommt, werde ich es zu spüren bekommen. Familienarbeit wird nicht angerechnet. Unsere Rechtslage würde mich also belohnen, wenn ich doch nicht so nahe dabei bin beim Aufwachsen meiner Tochter, sondern stattdessen eine weitere Anstellung annehme und Fremdbetreuung organisiere. Ich habe nichts gegen Kitas, aber systemisch finde ich das falsch. Das ist nur ein Punkt, bei dem der Frauenstreik auch für mich kämpft.
Studien zeigen, dass die potentielle Schwangerschaft ein Nachteil ist, wenn Frauen auf Stellensuche oder in Lohnverhandlungen sind. Man rechnet mit ein, dass sie einmal eine Weile ausfallen werden. Nach der Geburt unserer Tochter bin ich auch eine Weile ausgefallen. Ich hatte Überzeit angehäuft, um mir eine Vaterschaftspause leisten zu können, die den Namen verdient. Das Gesetz hätte mir einen Tag zugestanden. Ich will mir nicht vorstellen, was das mit unserer Beziehung gemacht hätte, was es für meinem Einstieg in die Vaterrolle bedeutet hätte, wenn ich nach einem Tag wieder permanent ausser Haus gewesen wäre. Familienurlaub statt Schwangerschaftsurlaub könnte Väter miteinschliessen und wäre damit auch für Frauen auf Jobsuche eine Verbesserung.
Wer soll das bezahlen, fragt man da. Auf gesunden Beziehungen und Familien baut die Gesundheit einer Gesellschaft auf. Der Staat muss einem nicht Lohn bezahlen für Familienarbeit. Aber auf Lohnarbeit zu verzichten, um für die Nächsten da sein zu können, sollte im Vorsorgebereich kein Nachteil sein. Ich bin überzeugt, dass die Rechnung aufgehen kann: Von einer gesunden Gesellschaft profitieren auch das Sozialsystem und die Wirtschaft. Der Streik ist ein weiteres Mittel für diesen Aufruf, wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben eine anständige Wertschätzung entgegenzubringen. Die Frauen haben diese Missverhältnisse lange Zeit stärker am eigenen Leib erfahren. Als Mann bin ich ihnen dankbar, dass sie sie lauthals aufs Tapet bringen und ich werde überzeugt mit dem Kinderwagen am Rand mitmarschieren.