In unseren Breitengraden herrscht eine generelle Einigkeit, dass Demokratie das beste mögliche System sei. Besser als die (rare) Monarchie. Besser als Diktatur, die zwar funktionieren kann, aber meist unter schweren Opfern jener, die nicht zum Diktatoren-«Stamm» gehören. Demokratie steht für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit für alle Gesellschaftsschichten.

Aber auch die Schwachstellen der Demokratie sind seit langem bekannt: Eine Mehrheit, die gewinnt, hat eine Minderheit gegenüber, die verliert. Wie gross muss die Mehrheit sein? Hat die Mehrheit immer Recht? Wie war es mit der Mehrheit, die Hitler gewählt hat? Oder: Die Stimmbeteiligungen sind vielerorts so tief, dass man nicht von Entscheidungen der Bevölkerungs-Mehrheit sprechen kann. Es ist jeweils nur die Mehrheit jener, die auch abgestimmt haben. Dann: Bürgerinnen und Bürger können als höchste Gewalt nur gute Entscheidungen treffen, wenn ihnen auch gute Informationen zur Verfügung stehen. Der Informationsfluss kann aber sowohl von den Regierenden wie von den Medien verfälscht und behindert werden. Wo genau liegen die Grenzen zwischen Meinungen und Fakten? Kommt dazu, dass auch Menschen benachteiligt sind, die Mühe haben komplexe Sachverhalte zu begreifen. Und direkt im Anschluss folgt der nächste Einwand: Sollen Menschen, die Mühe haben, komplexe Sachverhalte zu verstehen, überhaupt stimmberechtigt sein? Müssten nicht nur jene stimmberechtigt sein, die den nötigen Bildungshintergrund dafür haben? Das erfüllt aber nicht die Bedingung, dass alle Menschen gleichberechtigt sein sollen. Weiter: Die lautesten und vehementesten Stimmen bestimmen die Debatte. Das heisst aber nicht, dass das auch die relevantesten Stimmen sind.

So prallen Ideale und die Realität aufeinander. Weltweit haben wir Beispiele von demokratischen Entscheidungen, hinter denen sich die Stimmbevölkerung nicht finden kann, sondern anhand derer sich die Lager umso mehr voneinander entfremden. Brexit. Donald Trump. Abstimmungsergebnisse zeigen manchmal vor allem die Fähigkeit der Pro- und Kontra-Gruppen, ihre Gleichgesinnten zu mobilisieren. Das hat auch zu der bemerkenswerten Situation jüngst in Frutigen geführt, wo die hoch emotionale Frage nach der Oberstufenklasse in Winkeln nun abstimmungspflichtig war und dann mit nicht einmal zwei Dutzend Stimmen Unterschied beantwortet wurde. Unabhängig von der Meinung, die man vertreten hat, ist das für eine Gemeinschaft ein sehr schwieriges Ergebnis, in dem eben auch die Gefahr liegt, dass sich der Graben zwischen den Lagern unschön vertieft.

Demokratie ist schwierig. Aber was sonst? «Die kommen alle nicht draus, die würden besser einfach mich fragen», das sagt sich leicht am Familientisch oder in der Beiz. Aber die Freiwilligen für politische Aufgaben fehlen dann doch vielerorts. Und jene, die Verantwortung übernehmen, machen rasch die Erfahrung, dass es etwas komplexer ist, als sie dachten.

Eine Alternative ist die Konsens-Demokratie: Die Entscheidung fällt erst, wenn alle sich einverstanden erklären. Es ist anstrengend und zeitaufwändig, und auch da gibt es die Gefahr, dass eine Gruppe alles blockiert. Aber wenn die Entscheidung dann mal fällt, sollte sich niemand als Verlierer fühlen müssen. Das ist aber nur in kleineren Gemeinschaften praktikabel.

Jedenfalls ist es sicher sinnvoll, sich immer wieder daran zu erinnern, dass Demokratie Frieden und Gerechtigkeit fördern sollte. Ob sie das kann, das liegt schlussendlich an unserem Umgang mit ihr und ihren Ergebnissen.