Kürzlich wurde in der Schweizer Politik über die Rechte der Transgender-Menschen diskutiert. Dabei geht es nicht nur um Fragen der sexuellen Orientierung, sondern auch um Menschen, deren Körper rein biologisch nicht eindeutig weiblich oder männlich sind. Eine Feierabend-Zeitung hat zu diesem Anlass Politiker wie etwa Erich Hess befragt, ob sie überhaupt wüssten, was Begriffe wie «Intersexuell» oder «Transmensch» bedeuten. Die Antworten darauf waren nicht so überzeugend, was leicht spöttisch festgehalten wurde. Obwohl ich persönlich Erich Hess niemals meine Stimme geben würde, fand ich die Aktion unfair.
Weil, mal ehrlich: Auch ich weiss nicht so genau, was «Intersexuell» oder «Transmensch» genau bedeuten, und ich bin durch mein Umfeld da vermutlich schon sensibilisierter als die DurchschnittsschweizerIn. (Wobei man natürlich argumentieren kann, dass gewählte PolitikerInnen einen höheren Informationsstand haben sollten als der Durchschnitt. Aber item…) Jedenfalls hat es mich unschön an Pausenplatzszenen erinnert, wenn die grossen Jungs den Ball immer ein bisschen zu hoch werfen für den kleinen Jungen und «Fang doch!» rufen. Unfair ist unfair, auch wenn der kleine Junge eine Nervensäge ist. Vielleicht übertreibe ich mein Mitgefühl auch. Manchmal tut mir sogar Donald Trump ein bisschen Leid, wenn die Comedyshows jeden Tippfehler zum grossen Lacher hochstilisieren. Nein, eigentlich tut er mir nicht leid. Aber ich wünschte, die Comedians würden sich nicht auf diese Pausenplatz-Mobbing-Mentalität einlassen. Es gibt ja genug zu thematisieren, wo auch wirklich was dran ist.
Zurück zur Gratiszeitung. Es war eben nicht nur unfair, sondern auch kurz gedacht. Vorurteile werden ja nicht aufgelöst, wenn alle die korrekten Begriffe für diskriminierte Menschengruppen kennen. Ich anerkenne natürlich das Bedürfnis und die Notwendigkeit, dass Menschen korrekt bezeichnet werden wollen, dass für alle eine begriffliche Schublade geschaffen wird, in die sie passen. Aber genau das ist auch eine Definition von Diskriminierung und Vorurteilen: Menschen in Schubladen stecken und so reduzieren auf jene Eigenschaften, mit denen die Schublade bezeichnet ist.
Es ist kompliziert. Aber es muss auch nicht immer einfach sein. Auf Facebook kann seit einer Weile neben «männlich» und «weiblich» aus über 60 Varianten ausgewählt werden, wobei biologische Begriffe vermischt werden mit solchen der sexuellen Orientierung. Von «asexuell» bis «Zwitter», quasi. «Wär söll da no drus cho mit all dene Näme!», könnte man ausrufen. Stattdessen kann man aber auch das Lob der Verwirrung singen: Wenn man die Schubladen gar nicht mehr versteht und zuordnen kann (und deshalb keinen Zugriff hat auf Vorurteile), muss man halt jenen konkreten Menschen anschauen, der tatsächlich vor einem steht.
«Intersexuell» heisst übrigens, dass die biologischen Geschlechtsmerkmale körperlich und genetisch nicht eindeutig zugeordnet werden können. «Transmenschen» fühlen sich innerlich nicht ihrem anatomischen Geschlecht zugehörig. Wenn einem das zu sehr verwirrt, kann man sie zum Beispiel auch einfach fragen welche Musik sie mögen. Es sind ja Menschen.