Nein, ich werde mich jetzt nicht über die letzten Abstimmungen auslassen, das bringt ja nichts mehr.
Kürzlich habe ich einen Bundessteuerbeamten kennengelernt. Seinen Arbeitsalltag stellt man sich klischeehafterweise eher öde vor. Ich habe mir angewöhnt, solche Gelegenheiten erst recht zu nutzen um nachzufragen. Es war ein sehr spannendes und aufschlussreiches Gespräch, und es ist mir wieder eingefallen, als bekannt wurde, dass wir bald über die Unternehmenssteuerreform III abstimmen können. Dort geht es (sehr vereinfacht) um die Frage, welche Steuern man den Unternehmen zumuten kann. Hauptsorge der Parlamentsmehrheit war offenbar, die Unternehmen und Investoren könnten die Schweiz verlassen.
Es ist eine der Sauereien unserer Zeit, und sie betrifft nicht nur die Schweiz. Der Steuerbeamte, der die Gesetze nur umsetzt und sich mit globalen Unternehmen in der Schweiz befasst, hat es auch gesagt: Steueroptimierung durch Standortwahl ist für globale Konzerne legal und selbstverständlich heute, aber das System ist dermassen daneben, dass die Geschichte unsere Zeit dafür hart beurteilen wird. Wertschöpfung und Gewinn werden nicht am gleichen Ort gemacht, sondern jeweils dort, wo es für die Unternehmen die besten Bedingungen dafür gibt. Etwa globale Konzerne im Rohstoffbereich: In Billiglohnländern beuten sie Bodenschätze aus, verkaufen diese anderen globalen Konzernen, welche das Material im nächsten Billiglohnland z.B. zu Smartphones verarbeiten, welche schliesslich wir SchweizerInnen kaufen: Zu Preisen, für die sie hier nicht mal teilweise produziert werden könnten. Auch wenn man immer von der Hochpreisinsel Schweiz redet, Tatsache ist, dass unser materieller Lebensstandard nur haltbar ist, weil Menschen mit deutlich schlechterem Standard billig für uns produzieren: Technik, Kleider, Lebensmittel… Unterdessen verlegen die Konzerne ihren Steuersitz dorthin, wo es sich für sie am besten lohnt.
Es entstehen hohe finanzielle und gesellschaftliche Kosten daraus, dass aus den ausgebeuteten Ländern tausende Menschen nordwärts flüchten, in der Hoffnung auf ein besseres Leben und ein Stück des Kuchens, der mit ihren Rohstoffen gebacken wurde. Beteiligen sich die Konzerne und ihre Investoren an diesen Kosten? Nein, sie werden von den Regierungen gehätschelt, damit sie ja im Land bleiben. Unterdessen hat die Politik andere Prioritäten: Man will die Grenzen schliessen, man will die Entwicklungshilfe kürzen, den anderen Weg für etwas Wiedergutmachung in den ausgebeuteten Regionen. (Eine faire Wirtschaftsordnung wäre natürlich sinnvoller.)
Und wir, die wir nicht «die Politiker» sind? Ist unser Wohlstandsalltag zu bequem eingerichtet um zu hinterfragen, wer anderswo dafür bezahlt? Die Ablehnung der Grünen Wirtschaft hat gezeigt, dass wir nicht bereit sind, Einschränkungen unseres Lebensstils hinzunehmen, sogar dann, wenn es nicht um Menschen in anderen Ländern geht, sondern um unseren Planeten an sich. Aber machen wir uns nichts vor: Die Rechnungen für diese Bequemlichkeit werden kommen. Spätestens unsere Nachkommen werden bezahlen. Es wird stickig im gemütlichen Wohnzimmer, und das Klopfen an der Tür immer lauter.
Hoppla, jetzt habe ich doch noch zur letzten Abstimmung geschrieben. Pardon.