Vor ein paar Wochen, als es noch heiss war, bin ich wieder mal nach Frutigen gekommen. Es war Country & Western Festival und zum ersten Mal konnte ich dabei sein bei dieser Neuauflage einer geliebten Frutiger Tradition.

Für mich haben die Erinnerungen an das frühere Country Festival viele emotionale Verbindungen. Die prägendste ist natürlich, dass mein Vater Daniel dort immer mitgearbeitet hat. Ich erinnere mich noch an die ersten Ausgaben in der Märithalle, wie ich als kleiner Tschibber unter der Bühne herumgerannt bin, während die laute Musik durch die furchtbar klingende Halle donnerte. Ich erinnere mich an ein VIP Konzert im Rustica Dancing, noch bevor es zum Pub wurde, und wie wir dafür länger wach bleiben durften. Ich erinnere mich natürlich auch an die grossen Cowboy-Umzüge durchs ganze Dorf. Später war man unten am Flugplatz in einem Zelt, das immerhin ein wenig besser klang. Ich denke an den energischen Auftritt von Todd Snider, der alle zwei Songs die Gitarrensaiten wechseln musste. Ich denke an Fish, Heads and Rice, deren Konzert für mich im letzten Schuljahr unerwartet zu einer Art Date wurde: Noch Jahre später sah ich beim Hören der dort gekauften CD die Dorfschönheit vor mir, der ich da jung, unerfahren und ahnungslos nähergekommen war. Ich denke an Kris Kristofferson oder Emmylou Harris, deren Musik bei uns im Familienauto lief, und wie mich meine Musikerkollegen noch heute ungläubig anschauen, wenn ich sage, sie haben bei mir im Dorf gespielt. Irgendwie sind das immer auch Erinnerungen an meinen Vater, der noch vor der letzten Ausgabe des Festivals verstorben ist. Ich war also vorbereitet darauf, dass der Besuch mir unter die Haut gehen könnte.

Es begann verwirrend: Ich fand das Festivalgelände nicht. Von zuunterst am Flugplatz war es hörbar, aber nicht sichtbar. Offenbar bin ich seit Jahren nicht mehr am Flugplatz herumgelaufen. Ich suchte völlig desorientiert die Rollstrasse und erst auf halbem Weg, begriff ich, dass die Nordostseite des früheren Flugplatzes inzwischen so verbaut ist, dass sie fast wie ein Gässlein dahinter liegt. Als ich dann zum Gelände gefunden hatte, fühlte ich mich tatsächlich auf einen Schlag 25 Jahre zurückversetzt. Die Musik, der Geruchsmix aus Friteusen, Zigaretten und Alpenluft, die verkleideten Menschen. Sogar einige Dorfprominente stiefelten mit Cowboyhüten zwischen den Ständen umher. Etwas irritierend fand ich das Südstaatendorf mit dem Kinderspielplatz. Weiss man noch nicht, dass die Flagge der konföderierten Armee aus dem amerikanischen Bürgerkrieg für Rassismus steht? Schon damals waren es die Verteidiger der Sklaverei, und bis heute zeigt man sich im Amerika damit eine Gesinnung, die sich die Vormacht der weissen Rasse zurückwünscht. Aber die Stimmung war friedlich und freundlich, und beim Line-Dance Platz vorne spielte ein Song von Country-Star Johnny Cash, der sich für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner stark gemacht hat. Es geht nebeneinander, dachte ich, friedlich und freundlich. Das ist ja die Hauptsache.

Später hörte ich im Zelt die famosen Taco aus Bern spielen. Ich hatte einen Cowboy Coffee bestellt und die Menge Schnaps darin etwas falsch eingeschätzt, drum war es nun grad gut, ein bisschen zu sitzen, und wenn ich die Augen schloss, brauchte ich mir bloss vorzustellen, das Rauchverbot in Räumen wäre kurz wieder ausser Kraft, und dann roch und klang und fühlte es sich an wie 1993 und irgendwo ein paar Bänke weiter sass Vater in seinem Flannellhemd bei seinen Freunden und  sie lachten über einen Witz aus der Prärie.