Bern ist fern, das reimt sich. Gölä kann reimen, wettern kann er auch: Wie furchtbar «links» die Schweiz sei, dass sich nur die rechten Politiker um «das Volk» kümmern würden und die linken abgehobene Akademiker seien. Auch bei den rechten Parteivorständen regieren aber schon lange nicht mehr Bauern, geschweige denn «gewöhnlichen» Angestellte. Gölä hat jedoch in einem Punkt Recht: Das Parlament ist kein Querschnitt des Volkes, es besteht aus «Eliten» verschiedenster Prägung, links wie rechts. Zwangsläufig: Für den politischen Aufstieg braucht es meist Finanzen im Rücken und eine gewisse Bildung. Letzteres zum guten Glück, wir wollen ja nicht aus purer Sympathie Leute wählen, die noch weniger wissen als wir. Auch eine Portion Narzissmus gehört zu einem öffentlichen Amt. Wer sich nicht gerne reden hört und ungern vor Leute und Kameras steht, eignet sich kaum. Das schliesst nochmal viele «normale» Menschen aus. Vom Oberland her, auch Göläs Wohnort, kann man es also so sehen: Die dert unde, sy die dert obe, und Bern ist fern.

Mit den Wahlen in den USA stellt sich die Frage neu, was eine wählbare Persönlichkeit ist.  Einerseits wissen wir unterdessen, dass auch der vielseits geschätzte J.F. Kennedy ein medikamentesüchtiger Fremdgeher war. Oft ist es ein Segen, nicht alles zu wissen. Politik und Privatleben haben nur bedingt miteinander zu tun. Aber es ist erschreckend, dass jemand wie Trump für gerade die konservativen Menschen wählbar war, jemand der sich kaum an den Konsens des Anstandes hält und seine bewiesenen Lügen einfach mit neuem Lärm zu News von gestern macht. Der das Beharren der medialen Öffentlichkeit auf Fakten als «politisch korrektes» Theater abtut. Und in seinem Fahrwasser wird auch hierzulande eine Kampagne gegen politische Korrektheit gefahren.

Ich höre mich immer wieder mal etwas denken, das mich selber erschreckt. Und ich halte es für meinen zivilisierten Beitrag an die Gemeinschaft, dass ich meine Meinungen und Gedanken reflektiere, in einen grösseren Kontext stelle und nicht einfach jeden Schmutz hinausposaune, zu dem mein Geist fähig ist. «Das muss man sagen dürfen», ist eine Seite. Die Debatte um politische Korrektheit wird aber oft unverantwortlich geführt: Es ist richtig, dass es Dinge gibt, die man nicht öffentlich sagt, auch wenn man sie als wahr empfindet. Weil sie Gift streuen, Konflikte schüren und keine lösen. Das friedliche Leben in der Gemeinschaft, auch privat, ist darauf angewiesen, dass man einander nicht alles ins Gesicht sagt, was man auch noch denkt. Besonders dann nicht, wenn man nur «es Gfüehl het» und keine Fakten. Reale Probleme sollen natürlich thematisiert werden können. Aber auf Sündenböcke zu zeigen ist fern von Problemlösung. Meistens schafft die Ausgrenzung viel mehr neue Probleme.

Was öffentliche Personen sagen, wird «sagbar» und verbreitet sich in die Gemeinschaft. Egal ob links oder rechts, von PolitikerInnen erwarte ich also zwei Eigenschaften zwingend: Anstand, in mindestens jenem Mass, das auch von Schulkindern erwartet wird. Und Reflexion über den grösseren Zusammenhang gesellschaftlicher Fragen, in einem Mass, wie man ihn von «normalen» BürgerInnen vielleicht nicht immer erwarten kann.

Der Graffiti-Künstler Banksy hat kürzlich einen Spruch getwittert, der die Sache schön zusammenfasst: «Es kostet 0 Dollars, ein anständiger Mensch zu sein.»